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Schönheitsreparaturen und Individualvereinbarung

Das Berliner Landgericht, insbesondere die Kammern für Mietrecht, stehen in einem gewissen, nun ja, Spannungsverhältnis zum Bundesgerichtshof. Das führt in anderen Bundesländern, insbesondere in Bayern, zu einer manchmal etwas spöttischen Beobachtung dieser Vorlagen. Es geht aber oft um grundsätzliche Fragen der Rechtsentwicklung, die dort verhandelt werden. Diesmal um die Möglichkeit, ob Quotenabgeltungsklauseln für Schönheitsreparaturen individualvertraglich vereinbart werden können.

Die 67. Kammer des Landgerichts Berlin hatte mit Urteil vom 15. März 2022 (Geschäftszeichen 67 S 240/21) im Berufungsverfahren der Klage der ehemaligen Mieter auf Auszahlung der gesamten Kaution stattgegeben. Die beklagte Vermieterin hatte mit einem Betrag aufgerechnet, der zur Ausführung von Schönheitsreparaturen habe aufgewendet werden müssen. Sie meint, die Kläger / Mieter hätten sich im Mietvertrag individuell dazu verpflichtet, über eine Quotenabgeltungsklausel die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu übernehmen.

Es ist seit langem ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der anderen obergerichtlichen Rechtsprechung, dass Schönheitsreparaturen vom gesetzlichen Leitbild her Teil der zu entrichtenden Miete sind und nicht oder sehr schwer im Wege der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Mieter abgewälzt werden können. Mieter müssten bei Vertragsabschluss genau wissen, welche Leistungen im Gegenzug zur Überlassung der Mieträume zu erbringen wären. Dies wäre nicht möglich, wenn am Ende des Mietverhältnisses das Risiko unbestimmt hoher Kosten für die Ausführung der Schönheitsreparaturen stünde. Frühere Mietverträge hatten feststehende Quoten, wonach etwa Küche und Bad alle drei oder fünf Jahre, Schlafzimmer alle sieben Jahre zu renovieren wären. Dies, so der BGH, werde den individuellen Lebensverhältnissen nicht gerecht. Schönheitsreparaturen würden, wenn, nur nach dem jeweiligen Grad der Abnutzung anfallen, was eben von dem Umgang der Mieter mit der Mietsache abhängen würde.

Seitdem quälen sich Vermieter, Rechtsanwälte und die Interessensverbände um Formulierungen, wie die Vertragsklauseln den gegenseitigen Interessen und Verhaltensweisen der Vermieter/Innen und Mieter/Innen gerecht werden könnten.

Eine Möglichkeit wird unter anderem darin gesehen, die Vertragsparteien in einer individualvertraglichen Vereinbarung aushandeln zu lassen, ob die Miete um einen bestimmten Betrag herabgesetzt wird, um im Gegenzug den Mieter die Möglichkeit zu überlassen, Schönheitsreparaturen selbst auszuführen.

Das Landgericht hat nun die Ansicht vertreten, auch eine solche Individualvereinbarung sei aufgrund § 556 Abs. 4 BGB nicht möglich, da dort jedwede Belastung des Mieters mit sonstigen Kosten ausschließen würde. Die Betriebskosten, die in § 556 BGB geregelt sind, trennen die Kosten, die durch die Nutzung der Mietsache entstehen (Wasser, Versicherung etc.) von denjenigen, die der Erhaltung der Mietsache zugutekommen (Instandhaltung, Verwaltung).

Nein, meint hier der BGH. Die Instandhaltung und damit die Schönheitsreparaturen unterfallen dem § 535 Abs. 1 S. 2 BGB und sind daher grundsätzlich einer abweichenden individualvertraglichen Regelung zugänglich.

Der BGH hat die Sache zur weiteren Feststellung, ob ja eine wirksame Individualvereinbarung vorliegt, an das Landgericht zurückverwiesen. Es stellt in dem Urteil jedoch auch fest und weist ausdrücklich darauf hin, dass es mit Individualvereinbarungen (im Mietrecht) nicht so einfach sei. 

Grundsätzlich besteht Streit darüber, wo sich die Grenze zwischen Individualvereinbarung und Allgemeinen Geschäftsbedingungen befindet. Teilweise wird dies bereits ab dem ersten Formularvertrag bejaht, jedenfalls dann, wenn das Formular mindestens dreimal verwendet wird. Maßgeblich ist, ob dem Vertragspartner eine echte Möglichkeit eröffnet wird, seine Vorstellungen in die Vertragsverhandlungen einzubringen.

Der BGH führt aus: „allein die vorliegend durch die Beklagte erfolgte Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen macht die vom Vertragspartner – hier den Klägern – gewählte Alternative grundsätzlich noch nicht zu einer Individualabrede. … Vielmehr muss auch hier der Vertragspartner des Klauselverwenders Gelegenheit erhalten, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen.“

In den Kommentierungen zu dem Urteil wird kurz und knapp darauf verwiesen, dass im Massengeschäft der Wohnungsvermietung individualvertragliche Vereinbarungen sehr unwahrscheinlich wären.

Im Hintergrund scheint in diesem Konflikt ein grundsätzlicher und zunehmender Widerspruch der Rechtswirklichkeit mit den Grundannahmen des BGB auf. Grundsätzlich geht das BGB von der Vertragsfreiheit und der Gleichwertigkeit der Vertragspartner aus. Die Rechtswirklichkeit stellt sich indes anders dar. Der Anbieter einer Leistung (hier Vermietung) befindet sich meist in einer dominierenden Situation und kann die Vertragsbedingungen bestimmen. Besonders augenfällig wird dies im Geschäftsverkehr im Internet, wo entweder Plattformen oder wenige große Anbieter den Markt dominieren und so auch die Rechtslage bestimmen, soweit diese nicht gesetzlich reguliert wird. Kleine Anbieter verfügen schon nicht mehr über die Informationen, sich ausreichend auf und über den Markt zu orientieren. Dies wird dann erkennbar, wenn zum Teil von Einzelvermietern völlig unbrauchbare, oft alte Mietverträge (Netzfunde) benutzt werden.

Innerhalb eines solchen Informationsgefälles, darauf weist der BGH de facto hin, erscheint die Möglichkeit von Individualabreden nicht ausgeschlossen, aber sehr zweifelhaft.

Letztlich bestätigt das Urteil des BGH, wie schwierig die Umsetzung einzelner Vertragsbedingungen in einem Massengeschäft wie der Miete ist. Eine ernsthafte Beratung über die Vertragsgestaltung wird daher auf Seiten der Vermietung den gesamten Kostenapparat und dessen Risiken, von der Vermakelung über die Arbeitsbelastung der Verwaltung und die laufenden Kosten des Mietverhältnisses inklusive der routinemäßigen Schönheitsreparaturen in den Blick nehmen müssen.

BGH, Urteil vom 06.03.2024, AZ: VIII ZR 79/22