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Kündigung des Datenschutzbeauftragten

Kündigung des Datenschutzbeauftragten

Abberufung des Datenschutzbeauftragten BAG EuGH

Mit Urteil vom 06.06.2023 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass die strenge Regelung des § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) mit der DSGVO im Einklang steht. Aus diesem Grund sei auch bei der Kündigung oder Abberufung eines Datenschutzbeauftragten ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB erforderlich.

Zuvor bestanden bei einer Minderheit in der Rechtsprechung noch Zweifel, ob der Schutz des Datenschutzbeauftragten vor Kündigung nach BDSG aufgrund der tendenziell strengeren Regelung mit dem vorrangigen europäischen Recht der DSGVO vereinbar sei. Die Vorinstanzen hatten die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen. Das BAG hat daher den EuGH um eine Vorentscheidung in der Frage gebeten.

Mit Urteil vom 09.02.2023 (C-560/21) hat der EuGH schließlich die Vereinbarkeit des Kündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte nach § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG mit Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO bestätigt – wenn im speziellen Fall nicht andere Regelungen der DSGVO damit beeinträchtigt würden. Denn diese seien immer vorrangig. Nationale Regelungen, die einzelne Aspekte der DSGVO strenger regeln seien zulässig, wenn diese die Ziele der DSGVO verwirklichen.

Die DSGVO zielt darauf ab, innerhalb der Union ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Auch diese Feststellung des EuGH ist bemerkenswert, stellt der Gerichtshof doch zum wiederholten Male klar, dass der Zweck der DSGVO nicht der Schutz des freien Datenverkehrs ist, sondern das hohe Schutzniveau der Personen hinter den Daten. Der Gedanke dahinter: Nur dadurch könne auch ein freier Datenverkehr gewährleistet werden.

Das BAG hat infolge der Entscheidung des EuGH die Entscheidungen der Vorinstanzen abgewiesen und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Dabei wird nun zu klären sein, ob die Abberufung / Kündigung des Datenschutzbeauftragten auch in diesem konkreten Fall die Ziele der DSGVO verwirklicht. Vorstellbar wäre etwa eine Abberufung, wenn der Datenschutzbeauftragte nicht (mehr) über die Qualifikation verfügt, das Amt auszuüben, weil er Fortbildungen oder seine Tätigkeit verweigert.

Aus dem Urteil des EuGH C-560/21:

Tenor

Art. 38 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigter Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann, auch wenn die Abberufung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, sofern diese Regelung die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung nicht beeinträchtigt.

… aus den Entscheidungsgründen: 

27 Insbesondere darf ein strengerer Schutz die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigen. Dies wäre aber der Fall, wenn dieser Schutz jede durch einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter ausgesprochene Abberufung eines Datenschutzbeauftragten verböte, der nicht mehr die für die Erfüllung seiner Aufgaben gemäß Art. 37 Abs. 5 DSGVO erforderliche berufliche Qualifikation besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2022, Leistritz, C‑534/20, EU:C:2022:495, Rn. 35).

28      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die DSGVO, wie in Rn. 20 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, darauf abzielt, innerhalb der Union ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten, und dass der Datenschutzbeauftragte zur Verwirklichung dieses Ziels seine Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können muss.

Die Datenschutz-Grundverordnung

Im Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Dann müssen sich im Zweifel alle Verantwortlichen für die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten den Grundsätzen und Pflichten der DSGVO unterwerfen. Die Verordnung gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Die Verordnung wird besonders im Internet zum Teil kritisiert: Ich halte das nicht für angebracht. Wie der aktuelle Missbrauch personenbezogener Daten bei Facebook (März 2018) wieder zeigt, sollte das Internet kein rechtsfreier Raum sein. Das beschädigt nachhaltig das Vertrauen der Nutzer und der Kunden in das System und führt womöglich langfristig zu dessen Kollaps. Das Beispiel der westlichen demokratischen Industriestaaten zeigt, dass bürgerliche Freiheitsrechte und wirtschaftlicher Erfolg einander bedingen. Die Voraussetzungen dafür hat der Rechtsstaat mit seinem Regelwerk der Balance der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten geschaffen. Auch die DSGVO dient der Vertrauensbildung und ist als innovativ und zukunftsweisend zu begrüßen.

Verpflichtet sind „Verantwortliche“: Das sind (im unterschiedlichen Maß und mit Ausnahmen) alle natürlichen oder juristischen Personen, Behörden, Einrichtungen oder andere Stellen, die über Mittel und Zwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten entscheiden. Verantwortliche sind daher u.a.
– Vereine und Verbände,
– Schulen, Bildungsinstitute,
– Gewerbetreibende: Ärzte, Hausverwaltungen oder die Reparaturwerkstatt,
– Arbeitgeber,
– Betreiber von E-Commerce-Shops usw. usf..
Eine Ausnahme kann bestehen bei der Datenverarbeitung im Rahmen ausschließlich privater oder familiärer Tätigkeit, wobei auch da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist: Im Rahmen einer rein privaten Tätigkeit kann auch die Veröffentlichung von persönlichen Daten im Internet (beispielsweise von Mitgliedern einer Kirchengemeinde) unverhältnismäßig und nicht erlaubt sein.

Umfasst von der DSGVO sind demnach z.B. die Verarbeitung der Daten von Vereinsmitgliedern, Angestellten, Mitarbeitern, Kunden, Patienten, Mietern, Schülern oder das Anbieten von Dienstleistungen im Internet: alle Verarbeitungsvorgänge, die persönliche Daten mit Hilfe von Informationstechnologie betreffen.

Allgemeine mögliche Pflichten des Verantwortlichen:

1. Erstellung eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten.
2. Pflicht zur Ernennung und öffentlicher Bekanntgabe eines Datenschutzbeauftragten.
3. Informationspflichten.
4. Achtung der Betroffenenrechte.
5. Sorgfaltspflicht bei Vergabe der Auftragsverarbeitung, Erstellung neuer Verträge
6. Mitteilungspflicht bei Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten.
7. Erstellung einer Datenschutzfolgeabschätzung bei besonders sensiblen (risikogeneigten) Daten (z.B. Patientendaten).
8. Umsetzung „data protection by design“ und „data protection by default“.

Berücksichtigung der Betroffenenrechte:

1. Recht auf Berichtigung.
2. Recht auf Löschung.
3. Recht auf Datenübertragbarkeit.
4. Widerspruchsrecht
5. Automatisierte Entscheidung im Einzelfall einschließlich Profiling.

Ob im Einzelfall alle Pflichten zu beachten sind oder Ausnahmeregelungen bestehen, ist von einem Fachmann zu prüfen. Die Verletzung der Pflichten ist mit Bußgeldern bedroht.