Aus der Praxis
Mit einem beachtlichen Urteil vom 19. Juli vergangenen Jahres hat der Bundesgerichtshof über die Nichtigkeit eines WEG-Beschlusses befunden.
Die Wohnungseigentümer, jedenfalls zwei von drei, hatten die Absicht, im Gemeinschaftseigentum, dem Gartenbereich des Gebäudes, jeweils Fahrrad- / Geräteschuppen aufzustellen und diese zur alleinige Nutzung der jeweiligen Sondereigentümer zuzuweisen. Für das so zugewiesene Sondernutzungsrecht über das Gemeinschaftseigentum hatte man zudem – im gleichen Beschluss – bestimmt, eine Kompensation über jeweils 10,- € pro Monat an die jeweils anderen Parteien auszukehren.
Die letzte Regelung hatten zwei von drei offenbar für erforderlich erachtet, da der dritte Eigentümer mit der Regelung nicht einverstanden war. Das Rechtsempfinden drängte den nutzungswilligen Sondereigentümern die Idee auf, dem Dritten eine Kompensation für die entzogene Nutzungsmöglichkeit zuzugestehen.
So wurde es dann auf der Eigentümerversammlung gemacht, ein Beschluss über die zwei Regelungsinhalte mit der Mehrheit der Eigentümer (hier 2 von 3). Der Dritte im Bunde hatte (vermutlich) die Anfechtungsfrist versäumt und auf Nichtigkeit des Beschlusses geklagt.
Amtsgericht und Landgericht hielten die Regelung für unbedenklich. § 20 Abs. 1 WEG weise der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz zu, über bauliche Veränderungen durch Beschluss zu bestimmen – auch wenn das faktisch ein Sondernutzungsrecht für den jeweiligen Sondereigentümer bedeutet. § 20 Abs. 1 WEG gehe somit § 19 WEG vor! Un dies selbst dann, wenn über eine Nutzungsregelung eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 S. 2 WEG getroffen worden war.
Das bestätigt der BGH. Die Ausführungen des BGH hierzu sind hinzunehmen, überzeugen aber nicht in ganzer Linie. Denn es hält Differenzierungen für richtig, die unserer Ansicht nach dem durchschnittlichen Rechtsempfinden nur schwer vermittelbar sind. Vor allem kommt es zum Widerspruch zwischen Beschlüssen, die nur im Beschlussbuch zu finden sind (und vorrangig sein sollen) und Vereinbarungen, die im Grundbuch eingetragen werden mussten.
Der BGH hält den Beschluss dennoch für nichtig.
Denn zusammen mit der baulichen Veränderung wurde eine Kompensation der faktischen Zuweisung eines Sondernutzungsrechts beschlossen. Dafür fehlte aber den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz. Denn zweifellos bindet dieser Beschluss über eine Kompensation die Wohnungseigentümer.
Da den Wohnungseigentümern für die Regelung einer Kompensationszahlung die Beschlusskompetenz fehlte und der Beschluss in einem gefasst wurde, erstreckte sich die Nichtigkeit auf den gesamten Beschluss. Eine Heilung, eine teilweise Aufrechterhaltung des Beschlusses in Auslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen kommt nicht in Betracht, da hierfür objektive Anhaltspunkte vorliegen müssen für die Annahme, dass der Beschluss über die Sondernutzungsrechte auch ohne die Kompensation gelten solle. Das heißt, das Gericht kann sich das vielleicht denken, es muss aber zwingend objektiv erkennbar sein, dass auch die Wohnungseigentümer bei Fassung des Beschlusses sich so etwas gedacht haben und nicht etwa das Gegenteil. Solche Anhaltspunkte könnten etwa im Protokoll zu finden sein.
Besser wäre es gewesen, den Beschluss aufzuspalten und separat zu fassen. Das ist zwar mühsam, trägt aber dazu bei, das Gewollte genau zu bestimmen, nichts zu vermengen und durch zu vielen Details letztlich Unklarheiten zu schaffen. Keep it super simple!
Das Urteil des BGH enthält eine Reihe von Abwägungen, die zeigen, wie schwierig auch für den Fachmann die Abfassung von Beschlüssen sein kann. Gut gemeint ist selten gut gemacht.
Aus der Praxis
Kündigung des Datenschutzbeauftragten
Abberufung des Datenschutzbeauftragten BAG EuGH
Mit Urteil vom 06.06.2023 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass die strenge Regelung des § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) mit der DSGVO im Einklang steht. Aus diesem Grund sei auch bei der Kündigung oder Abberufung eines Datenschutzbeauftragten ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB erforderlich.
Zuvor bestanden bei einer Minderheit in der Rechtsprechung noch Zweifel, ob der Schutz des Datenschutzbeauftragten vor Kündigung nach BDSG aufgrund der tendenziell strengeren Regelung mit dem vorrangigen europäischen Recht der DSGVO vereinbar sei. Die Vorinstanzen hatten die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen. Das BAG hat daher den EuGH um eine Vorentscheidung in der Frage gebeten.
Mit Urteil vom 09.02.2023 (C-560/21) hat der EuGH schließlich die Vereinbarkeit des Kündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte nach § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG mit Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO bestätigt – wenn im speziellen Fall nicht andere Regelungen der DSGVO damit beeinträchtigt würden. Denn diese seien immer vorrangig. Nationale Regelungen, die einzelne Aspekte der DSGVO strenger regeln seien zulässig, wenn diese die Ziele der DSGVO verwirklichen.
Die DSGVO zielt darauf ab, innerhalb der Union ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Auch diese Feststellung des EuGH ist bemerkenswert, stellt der Gerichtshof doch zum wiederholten Male klar, dass der Zweck der DSGVO nicht der Schutz des freien Datenverkehrs ist, sondern das hohe Schutzniveau der Personen hinter den Daten. Der Gedanke dahinter: Nur dadurch könne auch ein freier Datenverkehr gewährleistet werden.
Das BAG hat infolge der Entscheidung des EuGH die Entscheidungen der Vorinstanzen abgewiesen und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Dabei wird nun zu klären sein, ob die Abberufung / Kündigung des Datenschutzbeauftragten auch in diesem konkreten Fall die Ziele der DSGVO verwirklicht. Vorstellbar wäre etwa eine Abberufung, wenn der Datenschutzbeauftragte nicht (mehr) über die Qualifikation verfügt, das Amt auszuüben, weil er Fortbildungen oder seine Tätigkeit verweigert.
Aus dem Urteil des EuGH C-560/21:
Tenor
Art. 38 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigter Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann, auch wenn die Abberufung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, sofern diese Regelung die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung nicht beeinträchtigt.
… aus den Entscheidungsgründen:
27 Insbesondere darf ein strengerer Schutz die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigen. Dies wäre aber der Fall, wenn dieser Schutz jede durch einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter ausgesprochene Abberufung eines Datenschutzbeauftragten verböte, der nicht mehr die für die Erfüllung seiner Aufgaben gemäß Art. 37 Abs. 5 DSGVO erforderliche berufliche Qualifikation besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2022, Leistritz, C‑534/20, EU:C:2022:495, Rn. 35).
28 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die DSGVO, wie in Rn. 20 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, darauf abzielt, innerhalb der Union ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten, und dass der Datenschutzbeauftragte zur Verwirklichung dieses Ziels seine Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können muss.
Aus der Praxis
Datenschutz im Wohnungseigentum ist ein vernachlässigtes Thema. Das wird zunehmend deutlich: Wie ist mit Gesundheitsdaten (Corona!) umzugehen? Wie mit Auskunftsansprüchen über gespeicherte Daten? Wie mit Unterlassungsansprüchen, wenn ein Eigentümer sich gegen Mitteilung seines Namens im Zusammenhang mit einem Schaden wehrt.
So wird also geklagt, ob Auskunftsansprüche der Wohnungseigentümer auch personenbezogenen Daten andere Wohnungseigentümer beinhalten dürfen oder Klage geführt, damit der Verwalter Informationen nicht bestimmten Wohnungseigentumseinheiten zuordnen soll (Legionellenbefall, ausstehende Hausgelder).
Oft sind jedoch noch nicht einmal die Basics, die Grundlagen des Datenschutzes in einer Wohnungseigentümergemeinschaft geklärt. Diese sollte sich jedoch jede WG vor Augen führen. Denn es ist zunächst die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst, die für die Einhaltung des Datenschutzes verantwortlich ist.
Geregelt ist der Datenschutz in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), dem Bundesdatenschutzgesetz und den Landesdatenschutzgesetze.
Verantwortlicher im Sinne der DSGVO ist nach Art. 4 Nummer 7 DSGVO „die natürliche oder juristische Person … die alleine oder gemeinsam mit Anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.“
Zur Organisation der Wohnungseigentümergemeinschaft ist jedenfalls die Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Eigentümer, gegebenenfalls auch der Mieter, nötig. Darunter fallen nicht nur die herkömmlichen Daten, Name, Adresse etc., sondern können unter Umständen auch besondere Kategorien personenbezogener Daten fallen, die einem besonderen Schutz nach Art. 9 DSGVO unterliegen. Das sind etwa sensitive Daten wie ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen, Gesundheitsdaten oder Daten über die sexuelle Ausrichtung der Eigentümer oder Mieter.
Da in der Regel mit der Verwaltung des Wohnungseigentums ein Verwalter beauftragt ist, wird diesem auch die Verwaltung der personenbezogenen Daten übertragen. Der Verwalter ist daher in jedem Fall Mitverantwortlicher und regelmäßig Auftragsverarbeiter im Dienste der DSGVO.
Sowohl für die Gemeinschaft, als auch für den Verwalter entstehen daher eine Reihe von Pflichten. Diese Pflichten ergeben sich vor allem aus der Datenschutzgrundverordnung, wie etwa die Rechtmäßigkeit, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit und Rechenschaftspflicht.
Aufgrund dieser Pflichten erscheint es notwendig, dass zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Verwalter eine Vereinbarung über das fortlaufende Datenschutzmanagement getroffen wird, die gegebenenfalls auch eine weitere Auftragsdatenverarbeitung beinhaltet.
Noch weitergehend wäre zu berücksichtigen, wenn der Verwalter eine Software benutzt, die, wie heutzutage üblich, die Daten nicht in den Räumen des Verwalters, sondern außerhalb in der Cloud oder als SaaS verarbeitet.
Das Amtsgericht Mannheim hat hierzu wegen der Vergütung des Verwalters für diese Tätigkeit entschieden, dass eine Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Verwalter mit Festlegung einer Sondervergütung nicht zu beanstanden ist.
Auch wenn die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Verwalter nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, hat er dies im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung zu erledigen. Übt der Verwalter das Datenschutzmanagement und die Sorge um eine datenschutzrechtskonforme Verwaltung der personenbezogenen Daten der Eigentümer (und der Mieter) für die Gemeinschaft aus, hat er daher keinen Anspruch auf Sondervergütung. Die Wohnungseigentümer haben jedoch die Kompetenz, durch Mehrheitsbeschluss eine Sondervergütung für diesen besonderen Verwaltungsaufwand zu vereinbaren. Denn die Beachtung des Datenschutzes übt der Verwalter für die Gemeinschaft aus, wodurch ihm zusätzlicher Aufwand entsteht, der mit dem Grundhonorar nicht abgedeckt ist.